Freitag, 29. Februar 2008

Poesiealbum

Karl Marx trug sich folgendermaßen in das Poesiealbum von Jenny Marx Longuet, seiner Tochter, ein. Wann dieser Eintrag getätigt wurde, ist unklar.


Eintrag in das Poesiealbum von Jenny Marx

Frage Antwort

Ihre Lieblingstugend Einfachheit
– beim Mann Kraft
– bei der Frau Schwäche
Hauptmerkmal Zielstrebigkeit
Auffassung vom Glück
Auffassung vom Unglück
Das Laster, das Sie entschuldigen Leichtgläubigkeit
Das Laster, das Sie verabscheuen Kriecherei
Abneigung Martin Farquhar Tupper, Veilchenpuder
Lieblingsbeschäftigung in Antiquariaten stöbern
Lieblingsheld Spartacus, Kepler
Lieblingsheldin Gretchen
Lieblingsdichter Dante, Shakespeare, Äschylus, Goethe
Lieblingsschriftsteller Diderot, Lessing, Hegel, Balzac
Lieblingsblume Lorbeer
Lieblingsfarbe Rot
Lieblings Augen- und Haarfarbe Schwarz
Lieblingsnamen Jenny, Laura
Lieblingsgericht Fisch
Lieblingsmaxime Nihil humani a me alienum puto.
(Deutsch: Nichts menschliches ist mir fremd. – Wörtlich: Ich halte nichts menschliches mir fremd.)
Lieblingsmotto De omnibus dubitandum. (Deutsch: An allem ist zu zweifeln.)

Sozialschmarotzer

Die neuen Sozialschmarotzer

von Dieter Frey und Albrecht Schnabel

Die mutmaßliche Steuerhinterziehung des früheren Post-Chefs ist symptomatisch für die tiefe moralische Krise der deutschen Wirtschaftselite. Ein Weckruf.

Es ist der größte Skandal in der Geschichte der Bundesrepublik: Der BND zahlt über 4 Mio. Euro an einen Informanten für eine CD-Rom, die Liechtensteiner Bankkonten von Hunderten deutscher "Leistungsträger" enthüllt. Es kann von Krieg zwischen den Bossen und der Regierung gesprochen werden.

Doch es ist Teil eines größeren Bildes: In den heutigen Eliteunis und Kaderschmieden des modernen westlichen Managements im Sinne von Zumwinkel und - man muss es leider sagen - McKinsey werden die Elitestudierenden und zukünftigen Topmanager vielfach zu kalten, rein zweckrational und nur ökonomisch denkenden Führungskräften ausgebildet. Deshalb ist das aktuelle Verhalten und das, was wir demnächst erleben werden, nur konsequent und folgerichtig: Wer über Jahre so selegiert, sozialisiert und belohnt wurde, der orientiert sich nun mal nicht an sozialen oder ethischen Leitplanken.

Nein, er optimiert seinen individuellen Outcome, und das konsequent. Und wenn es bedeutet, sein Geld auf eine Liechtensteiner Stiftung zu übertragen und Millionen Steuern zu sparen, dann tut er eben das. Der "Leistungsträger" Klaus Zumwinkel hat nach normalem Ermessen, nach seinen Erfahrungswerten und nach seiner Logik und Ethik durchaus "richtig" gehandelt; nur weil der BND Bankdaten von einem Hehler gekauft und an das Finanzamt übergeben hat, flog er auf. Viel wahrscheinlicher war es, dass er hochdekoriert seine Rente auf den Kaimaninseln hätte ausgeben können.

Erpressung im Namen der Galobalisierung

Dumm gelaufen ist nur, dass der Staat zu erkennen beginnt, dass seine sogenannten Leistungsträger vielfach Sozialschmarotzer sind, und nun zurückschlägt.

Warum Sozialschmarotzer? Weil sie den Staat, das Gemeinwesen im Zuge der Globalisierung quasi erpressen, Gewinne und Verluste zwar global gegenrechnen - und so praktisch keine Steuern mehr zahlen, während jeder Briefträger und ungelernte Arbeiter dazu beiträgt, Straßen, Bibliotheken und Kindertagesstätten zu erhalten -, zusätzlich Millionensubventionen einstreichen für ein paar Tausend Arbeitsplätze auf Zeit (Beispiel Nokia), dann aber das Werk nach Rumänien verlegen, sobald die beträchtlichen Subventionen ausgegeben sind.

Was ist das? Das ist Erpressung. (Wobei wir auch nicht einem falsch verstandenen Nationalstolz im Fall Nokia das Wort reden möchten: Als Exportweltmeister können wir auch mal etwas abgeben an ein strukturschwächeres und ärmeres benachbartes europäisches Land wie Rumänien.)

Habgier und Rücksichtslosigkeit

Das derzeitige Wirtschaftssystem und die Handlungsweise der multinationalen Konzerne zeigen ein Gesamtbild von Korruption, Doppelmoral und menschlichem Abgrund: Auch als Manager hat Zumwinkel ja anderen ständig Geld und Arbeitsplätze weggenommen, etwa den Stundenlohn der Briefträger auf 10,30 Euro brutto gedrückt. Dann hat er sich massiv bereichert an seinen Managementhandlungen - siehe Verkauf des gesamten Aktienpakets im Moment der Verkündung des Postmindestlohns. Dann zahlt er auf diesen Millionenlohn auch noch keine Steuern. Und dann ist er noch so schäbig und peinlich, nicht einen einzigen (!) Satz zu seinen Fehlhandlungen öffentlich zu tun und sich schuldig zu bekennen und zu entschuldigen.

Stattdessen schwafelt er in der "Bild"-Zeitung davon, wie er die Post fit für die Zukunft gemacht habe. Da hat die Kanzlerin recht: Es fehlen einem fast die Worte. Ein Mann, der von allen geehrt wurde, weil er das träge Staatsunternehmen "entschlackt" und "fit für die Zukunft" gemacht hat. Ja, so ein Mann ist das eben, das zeigt sich jetzt, und es passt ins Bild. Seine Habgier, seine kriminelle Gier einerseits und seine jahrzehntelange Härte und Rücksichtslosigkeit Tausenden von Mitarbeitern gegenüber andererseits hängen aus unserer Sicht eng zusammen.

Ein Teil der deutschen Manager (doch nicht nur sie) greift zu wie in einem Selbstbedienungsladen. Die Gier nach Geld macht keinen Halt bei denen, die schon Geld haben. Man will immer mehr, man will das Maximum rausholen, alles versuchen, was man haben kann. Die Einsicht ist gering, man glaubt, man hat es verdient. Es fehlt das Unrechtsempfinden.

Bauernopfer genügen nicht

Es gibt nur drei Lösungsmöglichkeiten: Wenn die internen Kontrollinstanzen versagen, es uns also nicht gelingt, in der Erziehung, in der öffentlichen Diskussion, bei den Menschen interne Ethik und interne Kontrollen zu implantieren, dann ist es umso wichtiger, dass die externen Kontrollinstanzen vorhanden sind und funktionieren. Also dass, wie im Fall Zumwinkel, die Staatsanwaltschaft aktiv wird. Ein simples Bauernopfer, wie jetzt im Fall der Deutschen Post, genügt nicht.

Dazu gehört auch, dass insbesondere für die Großverdiener strengere Kontrollen vorhanden sind. Sodass man weiß: Die Chance, erwischt zu werden, ist beträchtlich. Moral muss sich lohnen. Moral darf nicht bestraft werden. Das sagt auch der berühmte Wirtschaftsethiker Karl Homann. Insofern ist es zu einfach, bei schwarzen Schafen gleich die ganze Herde von Managern, Politikern, Professoren zu verunglimpfen. Man sollte die Negativfälle als Negativfälle klar kennzeichnen und verurteilen. Dies aber als Chance begreifen, dass das externe Kontrollsystem funktioniert.

Wir erleben, dass der Staat nun gegen sogenannte Leistungsträger vorgeht, die nur Sozialschmarotzer sind. Das sind zunehmend mexikanische Verhältnisse; dort kennt man Ähnliches seit Jahren. Passen wir auf, dass wir danach nicht auch noch kolumbianische Verhältnisse bekommen!

Dieter Frey ist Professor für Wirtschafts- und Sozialpsychologie an der Universität München.
Albrecht Schnabel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Lehrstuhls.

Holger N. Koch

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