Eiermann
Ein super Komm-en-tar...
Wo ist bloß der Eiermann?
Die Menschen haben Angst - sagen Politiker, die selbst verängstigt sind. Also tun sie etwas dagegen, geben Geld aus oder stellen Reformen infrage. Doch das beruhigt erst recht nicht.
Es gibt Tage in diesem Land, da möchte man ein Engel sein und rufen: Fürchtet euch nicht! Und dann möchte man noch lieber etwas anderes fragen, und es klingt furchtbar, ein wenig naiv, vielleicht auch ein wenig platt: Man möchte fragen, ob es jemanden in der Politik gibt, der noch Eier in der Hose hat.
Eigentlich kennt man diesen Satz aber nur aus Synchronübersetzungen von Filmen aus Amerika, in denen die Helden ständig "du Hurensohn" und "du Bastard" sagen. Schlecht übersetzt, wir Deutsche reden nicht so, wir fragen nicht nach Eiern in der Hose.
Reden wir also lieber über die Angst. Die Angst "der Menschen draußen im Lande" Mit Furcht soll man keine Späße treiben, gut also, möchte man meinen, dass sich die Politiker kümmern. Politiker, die nun wochenlang alle Energie darauf verwendet haben, eine Leistung der Arbeitslosenversicherung für Ältere um sechs Monate zu verlängern.
Die kleine und die große Lüge
Vergessen wir die spezielle SPD-Nummer Kurt Beck gegen Franz Müntefering. Schauen wir erst einmal dahin, wo die Furcht gespürt wird. Auf die berühmte Fußgängerzone oder die Ortsvereine, in denen Abgeordnete oder Parteifunktionäre stehen und sitzen.
"Die Menschen haben Angst", sagen dann Leute wie Ottmar Schreiner, manchmal mit dem Zusatz: "Die Menschen haben Angst vor Veränderungen" oder "vor dem sozialen Absturz". Dann werden die Untaten genannt, die die Menschen ertragen mussten, die Rente mit 67, die Agenda 2010 oder Hartz IV.
Schön, denkt man also, dass diese Sorgen wieder schwinden sollen. Nur leider ist die Sache komplizierter. Die politische Angstlösung besteht aus einer doppelten Lüge, einer kleinen und einer großen.
Die kleine Lüge beginnt bei dem Politiker selbst, der zum Beispiel die Rente mit 67 nicht mehr vertreten will. Jeder Abgeordnete, der genug Akteneinsicht in Berlin hatte und nicht Oskar Lafontaine heißt, müsste nach all den anstrengenden Jahren des Warum-Deutschland-sich-ändern-muss im Schlaf gute Argumente für die Rente mit 67 aufsagen können. Wenn er das nicht tut, geht es im Grunde um seine eigene Furcht: Es ist die Fußgängerzone, voll mit Wählern, die ihn das Fürchten lehrt. Er bangt um seine eigene Zukunft, ein vielleicht wohlfeiler, aber naheliegender, allzu menschlicher Vorwurf.
Um sich selbst in Sicherheit zu bringen, wiegt er "die Menschen da draußen" dann gleich mit in dieser Sicherheit. "Wir können es den Menschen draußen nicht mehr erklären", sagen die Fußgängerzonenpolitiker und nisten sich ein in der Fußgängerzonenfurcht.
Ein Chef mit Synchronübersetzung würde jetzt brüllen: Es ist aber dein verdammter Job, es den Leuten zu erklären!
Bleiben wir bei der Rente mit 67 - diesem Kahl- und Keulenschlag. Sehen wir uns noch einmal die Details an: Zwischen 2012 und 2029 soll die Rente schrittweise um einen Monat pro Jahr, ab 2024 um zwei Monate pro Jahr angehoben werden. Hat man das den Menschen auch so erklärt? Haben die ängstlichen Politiker dem ängstlichen Arbeiter Jahrgang 1947 gesagt, dass es für ihn nur ein Monat ist? Dem Angestellten Jahrgang 1952, dass es nur sechs Monate sind?
Jeder Furchtvernichter, der es nicht getan hat und in Berlin gegen die Rente mit 67 ist, müsste den Menschen ein Papier mit drei Möglichkeiten hinhalten, was stattdessen getan werden soll. Bitte ankreuzen: 1. Beitragssätze erhöhen 2. Renten kürzen 3. Zuschuss zur Rentenversicherung erhöhen (2008: 80 Mrd. Euro, etwa 30 Prozent des Bundeshaushalts). Der Furchtvernichter tut es aber nicht, er gaukelt vor, eine Lösung zu haben, indem er "die Sorgen der Menschen ernst genommen hat" - und nun auch gegen die Rente mit 67 oder für 24 Monate Alg I ist
Das Renten-Multiple-Choice
Und damit sind wir bei der zweiten Lüge: Wer sich das Renten-Multiple-Choice ansieht, wird schnell merken, dass wir uns vor den falschen Dingen fürchten. Angst muss haben, wer in dieser tragischen Trias gefangen ist, die jeden Spielraum nimmt. Die einen Rentenhaushalt schnürt, Jahr für Jahr, in dem ein Zauberer ist, wer noch rangieren kann.
Kann man so etwas nicht erklären? Stattdessen sammelt man sich im Bammel.
Es ist schon merkwürdig, dass mitten im Aufschwung, den wir so lange herbeigesehnt haben, eine gesamte politische Führung ihr Heil in sechs Monaten Lohnersatzleistung sucht. Da kriecht sie, die Angst, in dieser Politik der reinen Defensive: eingreifen, wenn der Schaden da ist. Nicht mehr Jobs schaffen, sondern verlorene gegangene Jobs post mortem abfedern. Ein bisschen mehr Geld rein, sofern es gerade da ist - und Ruhe.
Damit ist man dann doch noch bei Kurt Beck: Wenn die SPD nun zulegt, wird er nachlegen, sich bestätigt fühlen. Wenn die Umfragen schlecht bleiben, muss er auch nachlegen. Wie es der Zufall will, hat außerdem die Linkspartei diese Woche ein "Manifest für eine gerechte Arbeitswelt" vorgestellt. Sie will Lohnsenkungen gesetzlich verbieten und ein Veto von Betriebsräten bei Fusionen und Übernahmen.
Das ist nur noch gaga, sozialistische Folklore. Es kann einem angst und bange werden, wen Beck da einholen will.
Autor/Autoren: Horst von Buttlar
(c) FTD
Horst wie recht du hast....
Wo ist bloß der Eiermann?
Die Menschen haben Angst - sagen Politiker, die selbst verängstigt sind. Also tun sie etwas dagegen, geben Geld aus oder stellen Reformen infrage. Doch das beruhigt erst recht nicht.
Es gibt Tage in diesem Land, da möchte man ein Engel sein und rufen: Fürchtet euch nicht! Und dann möchte man noch lieber etwas anderes fragen, und es klingt furchtbar, ein wenig naiv, vielleicht auch ein wenig platt: Man möchte fragen, ob es jemanden in der Politik gibt, der noch Eier in der Hose hat.
Eigentlich kennt man diesen Satz aber nur aus Synchronübersetzungen von Filmen aus Amerika, in denen die Helden ständig "du Hurensohn" und "du Bastard" sagen. Schlecht übersetzt, wir Deutsche reden nicht so, wir fragen nicht nach Eiern in der Hose.
Reden wir also lieber über die Angst. Die Angst "der Menschen draußen im Lande" Mit Furcht soll man keine Späße treiben, gut also, möchte man meinen, dass sich die Politiker kümmern. Politiker, die nun wochenlang alle Energie darauf verwendet haben, eine Leistung der Arbeitslosenversicherung für Ältere um sechs Monate zu verlängern.
Die kleine und die große Lüge
Vergessen wir die spezielle SPD-Nummer Kurt Beck gegen Franz Müntefering. Schauen wir erst einmal dahin, wo die Furcht gespürt wird. Auf die berühmte Fußgängerzone oder die Ortsvereine, in denen Abgeordnete oder Parteifunktionäre stehen und sitzen.
"Die Menschen haben Angst", sagen dann Leute wie Ottmar Schreiner, manchmal mit dem Zusatz: "Die Menschen haben Angst vor Veränderungen" oder "vor dem sozialen Absturz". Dann werden die Untaten genannt, die die Menschen ertragen mussten, die Rente mit 67, die Agenda 2010 oder Hartz IV.
Schön, denkt man also, dass diese Sorgen wieder schwinden sollen. Nur leider ist die Sache komplizierter. Die politische Angstlösung besteht aus einer doppelten Lüge, einer kleinen und einer großen.
Die kleine Lüge beginnt bei dem Politiker selbst, der zum Beispiel die Rente mit 67 nicht mehr vertreten will. Jeder Abgeordnete, der genug Akteneinsicht in Berlin hatte und nicht Oskar Lafontaine heißt, müsste nach all den anstrengenden Jahren des Warum-Deutschland-sich-ändern-muss im Schlaf gute Argumente für die Rente mit 67 aufsagen können. Wenn er das nicht tut, geht es im Grunde um seine eigene Furcht: Es ist die Fußgängerzone, voll mit Wählern, die ihn das Fürchten lehrt. Er bangt um seine eigene Zukunft, ein vielleicht wohlfeiler, aber naheliegender, allzu menschlicher Vorwurf.
Um sich selbst in Sicherheit zu bringen, wiegt er "die Menschen da draußen" dann gleich mit in dieser Sicherheit. "Wir können es den Menschen draußen nicht mehr erklären", sagen die Fußgängerzonenpolitiker und nisten sich ein in der Fußgängerzonenfurcht.
Ein Chef mit Synchronübersetzung würde jetzt brüllen: Es ist aber dein verdammter Job, es den Leuten zu erklären!
Bleiben wir bei der Rente mit 67 - diesem Kahl- und Keulenschlag. Sehen wir uns noch einmal die Details an: Zwischen 2012 und 2029 soll die Rente schrittweise um einen Monat pro Jahr, ab 2024 um zwei Monate pro Jahr angehoben werden. Hat man das den Menschen auch so erklärt? Haben die ängstlichen Politiker dem ängstlichen Arbeiter Jahrgang 1947 gesagt, dass es für ihn nur ein Monat ist? Dem Angestellten Jahrgang 1952, dass es nur sechs Monate sind?
Jeder Furchtvernichter, der es nicht getan hat und in Berlin gegen die Rente mit 67 ist, müsste den Menschen ein Papier mit drei Möglichkeiten hinhalten, was stattdessen getan werden soll. Bitte ankreuzen: 1. Beitragssätze erhöhen 2. Renten kürzen 3. Zuschuss zur Rentenversicherung erhöhen (2008: 80 Mrd. Euro, etwa 30 Prozent des Bundeshaushalts). Der Furchtvernichter tut es aber nicht, er gaukelt vor, eine Lösung zu haben, indem er "die Sorgen der Menschen ernst genommen hat" - und nun auch gegen die Rente mit 67 oder für 24 Monate Alg I ist
Das Renten-Multiple-Choice
Und damit sind wir bei der zweiten Lüge: Wer sich das Renten-Multiple-Choice ansieht, wird schnell merken, dass wir uns vor den falschen Dingen fürchten. Angst muss haben, wer in dieser tragischen Trias gefangen ist, die jeden Spielraum nimmt. Die einen Rentenhaushalt schnürt, Jahr für Jahr, in dem ein Zauberer ist, wer noch rangieren kann.
Kann man so etwas nicht erklären? Stattdessen sammelt man sich im Bammel.
Es ist schon merkwürdig, dass mitten im Aufschwung, den wir so lange herbeigesehnt haben, eine gesamte politische Führung ihr Heil in sechs Monaten Lohnersatzleistung sucht. Da kriecht sie, die Angst, in dieser Politik der reinen Defensive: eingreifen, wenn der Schaden da ist. Nicht mehr Jobs schaffen, sondern verlorene gegangene Jobs post mortem abfedern. Ein bisschen mehr Geld rein, sofern es gerade da ist - und Ruhe.
Damit ist man dann doch noch bei Kurt Beck: Wenn die SPD nun zulegt, wird er nachlegen, sich bestätigt fühlen. Wenn die Umfragen schlecht bleiben, muss er auch nachlegen. Wie es der Zufall will, hat außerdem die Linkspartei diese Woche ein "Manifest für eine gerechte Arbeitswelt" vorgestellt. Sie will Lohnsenkungen gesetzlich verbieten und ein Veto von Betriebsräten bei Fusionen und Übernahmen.
Das ist nur noch gaga, sozialistische Folklore. Es kann einem angst und bange werden, wen Beck da einholen will.
Autor/Autoren: Horst von Buttlar
(c) FTD
Horst wie recht du hast....
Holger N. Koch - 27. Okt, 20:22
Trackback URL:
https://honoko.twoday.net/stories/4388288/modTrackback