VOLODOS
„Wer Volodos nicht gehört hat, glaubt nicht, dass es das gibt!“
(Süddeutsche Zeitung)
Ich habe ihn vorgestern zum zweiten Mal gehört.... Grandios !
7. Oktober 2007, 17:11 Uhr
Von Tom R. Schulz
Arcadi Volodos
"Es hilft sehr, über das Klavier nachzudenken"
Technisch enorm souverän und künstlerisch exzentrisch gilt der russische Pianist Arcadi Volodos vielen als Nachfahre des großen Vladimir Horowitz. Nun gibt er in Hamburg einen Klavierabend mit Musik von Brahms, Schumann, Liszt. WELT ONLINE sprach mit dem Pianisten.
Arcadi Volodos: "Bis zum Tod kann man in der Musik leben, selbst wenn man sie nicht spielt. Sie wohnt in der Seele"
Der russische Pianist Arcadi Volodos hat nie an einem Klavierwettbewerb teilgenommen und geht nur sehr ungern ins Tonstudio. Zuletzt erschien ein Album mit Interpretationen von Stücken von Franz Liszt, für das Volodos überall hymnische Kritiken erntete. Am Mittwoch gibt er in der Laeiszhalle einen Klavierabend mit Musik von Brahms, Schumann, Liszt und Clementi. Tom R. Schulz sprach mit dem Pianisten.
WELT ONLINE: Herr Volodos, wir sitzen hier am Vormittag zusammen. Nicht ganz Ihre Zeit, oder?
Arcadi Volodos: Nein, ich stehe nicht gern früh auf. Aber manchmal muss man halt.
WELT ONLINE: Und vormittags üben, können Sie das?
Volodos: Nein, ich spiele nie vormittags.
WELT ONLINE: Auch zuhause nicht?
Volodos: Ich habe kein Zuhause.
WELT ONLINE: Wie bitte?
Volodos: Ich habe zurzeit eine winzige Wohnung in Paris, aber wegen der Nachbarn kann ich da nicht Klavier spielen.
WELT ONLINE: Stört Sie das nicht?
Volodos: Das ist nicht so schlimm; neue Stücke lernen, das ist für mich ohnehin eher ein Gehirnvorgang. Ich arbeite viel im Kopf.
WELT ONLINE: Aber ein bisschen Bewegungstraining brauchen die Hände eines Pianisten doch schon, oder?
Volodos: Ach nein, die Hände sind auch hauptsächlich Gehirnsache. Gut, ein bisschen Biegsamkeit muss man sich schon bewahren. Ich hatte jetzt zwei Monate Ferien, in denen ich nicht Klavier gespielt habe, da muss man ein bisschen was tun, dass die Finger wieder laufen. Aber danach ist alles Pianistische reine Gehirnsache.
WELT ONLINE: Sie können einfach so zwei Monate aussetzen?
Volodos: Oder drei. Die Musik ist immer in meinem Kopf. Sie gehört zu meinem Leben. Sie ist nicht wie ein Beruf oder eine Arbeit, die man ausübt. Ich kann zu jeder Zeit über Musik nachdenken, dazu brauche ich kein Klavier.
WELT ONLINE: Erleben Sie Musik als eine Art inneren Gesang?
Volodos: Nein, sie erklingt. Gesang ist einstimmig. Beim innerlichen Erklingen von Musik sind Akkorde da, man hört alles. Deshalb kann man nicht von Gesang sprechen. Im Übrigen ist das nichts, was ich mir aussuchen könnte. Manchmal wache ich auf, und ein Klang ist da und ich frage mich: was klingt da heute? Ich überlege viel, was Musik betrifft. Es hilft sehr, über das Klavier nachzudenken. Jetzt im Urlaub hat es dauernd in mir geklungen. Ob ich will oder nicht.
WELT ONLINE: War das immer so? Dann blieb Ihnen ja gar nichts anderes übrig, als Musiker zu werden.
Volodos: Überhaupt nicht. Wissen Sie, über eins in meinem Leben bin ich wirklich froh: dass ich eine echte Kindheit hatte. Oft werden Kinder zu Musik gezwungen. Ich hatte eine richtige Kindheit, mit vielen Freunden. Ich war nie ein Wunderkind, ich habe auch nie darüber nachgedacht, was ich mal werden soll. Mit 15, 16 Jahren kam das ganz natürlich. Da habe ich mir gesagt, vielleicht sollte ich mit dem Klavierspielen Ernst machen. Bis dahin ging ich auf eine Musikschule, die Chorleiter aufs höhere Konservatorium vorbereitet.
WELT ONLINE: Sie nehmen nur ganz selten CDs auf und beurteilen Ihre früheren Aufnahmen sehr harsch.
Volodos: Ja. Ich finde meine Aufnahmen nie gut. Vor allem verliert man das Interesse daran, wenn man sie gemacht hat. Im Konzert muss man alles geben und sich ganz auf den Augenblick konzentrieren, im Studio spielt man alles mehrfach und muss hinterher eine Version auswählen. Und das fällt mir am schwersten.
WELT ONLINE: Sie nehmen ja auch gerne mal 20 Versionen desselben Stücks auf...
Volodos: Ja, ich spiele viele Takes ein, und Schnitte möchte ich so wenig wie möglich. Sonst kommt man sich wie ein Roboter vor. Völlig unnatürlich. Bei der letzten Platte habe ich mir ausbedungen, nur nachts aufnehmen. Das ist besser für mich.
WELT ONLINE: Der Toningenieur zeigte sich von Ihrer Arbeitsweise und dem künstlerischen Ergebnis enorm beeindruckt.
Arcadi Volodos Vladimir Horowitz Klavier Brahms Schumann Liszt Clementi
Volodos: Ich möchte lieber drei bis fünf wirklich gute CDs aufnehmen, als 25 aus dem Handgelenk zu schütteln. Das hat auch etwas mit Verantwortungsgefühl zu tun. Es gibt viel zu viele CDs.
WELT ONLINE: Mit wem kommunizieren Sie, wenn Sie Klavier spielen?
Volodos: Mit dem Publikum, mit dem Komponisten, mit mir. Es ist ein schwieriger Prozess; jedes Konzert ist für mich einmalig und unwiederholbar.
WELT ONLINE: Gibt es in Ihrer Arbeit eine religiöse Komponente?
Volodos: Musik ist für mich Religion. Bis zum Tod kann man in der Musik leben, selbst wenn man sie nicht spielt. Sie wohnt in der Seele. Darauf kommt es an.
(Süddeutsche Zeitung)
Ich habe ihn vorgestern zum zweiten Mal gehört.... Grandios !
7. Oktober 2007, 17:11 Uhr
Von Tom R. Schulz
Arcadi Volodos
"Es hilft sehr, über das Klavier nachzudenken"
Technisch enorm souverän und künstlerisch exzentrisch gilt der russische Pianist Arcadi Volodos vielen als Nachfahre des großen Vladimir Horowitz. Nun gibt er in Hamburg einen Klavierabend mit Musik von Brahms, Schumann, Liszt. WELT ONLINE sprach mit dem Pianisten.
Arcadi Volodos: "Bis zum Tod kann man in der Musik leben, selbst wenn man sie nicht spielt. Sie wohnt in der Seele"
Der russische Pianist Arcadi Volodos hat nie an einem Klavierwettbewerb teilgenommen und geht nur sehr ungern ins Tonstudio. Zuletzt erschien ein Album mit Interpretationen von Stücken von Franz Liszt, für das Volodos überall hymnische Kritiken erntete. Am Mittwoch gibt er in der Laeiszhalle einen Klavierabend mit Musik von Brahms, Schumann, Liszt und Clementi. Tom R. Schulz sprach mit dem Pianisten.
WELT ONLINE: Herr Volodos, wir sitzen hier am Vormittag zusammen. Nicht ganz Ihre Zeit, oder?
Arcadi Volodos: Nein, ich stehe nicht gern früh auf. Aber manchmal muss man halt.
WELT ONLINE: Und vormittags üben, können Sie das?
Volodos: Nein, ich spiele nie vormittags.
WELT ONLINE: Auch zuhause nicht?
Volodos: Ich habe kein Zuhause.
WELT ONLINE: Wie bitte?
Volodos: Ich habe zurzeit eine winzige Wohnung in Paris, aber wegen der Nachbarn kann ich da nicht Klavier spielen.
WELT ONLINE: Stört Sie das nicht?
Volodos: Das ist nicht so schlimm; neue Stücke lernen, das ist für mich ohnehin eher ein Gehirnvorgang. Ich arbeite viel im Kopf.
WELT ONLINE: Aber ein bisschen Bewegungstraining brauchen die Hände eines Pianisten doch schon, oder?
Volodos: Ach nein, die Hände sind auch hauptsächlich Gehirnsache. Gut, ein bisschen Biegsamkeit muss man sich schon bewahren. Ich hatte jetzt zwei Monate Ferien, in denen ich nicht Klavier gespielt habe, da muss man ein bisschen was tun, dass die Finger wieder laufen. Aber danach ist alles Pianistische reine Gehirnsache.
WELT ONLINE: Sie können einfach so zwei Monate aussetzen?
Volodos: Oder drei. Die Musik ist immer in meinem Kopf. Sie gehört zu meinem Leben. Sie ist nicht wie ein Beruf oder eine Arbeit, die man ausübt. Ich kann zu jeder Zeit über Musik nachdenken, dazu brauche ich kein Klavier.
WELT ONLINE: Erleben Sie Musik als eine Art inneren Gesang?
Volodos: Nein, sie erklingt. Gesang ist einstimmig. Beim innerlichen Erklingen von Musik sind Akkorde da, man hört alles. Deshalb kann man nicht von Gesang sprechen. Im Übrigen ist das nichts, was ich mir aussuchen könnte. Manchmal wache ich auf, und ein Klang ist da und ich frage mich: was klingt da heute? Ich überlege viel, was Musik betrifft. Es hilft sehr, über das Klavier nachzudenken. Jetzt im Urlaub hat es dauernd in mir geklungen. Ob ich will oder nicht.
WELT ONLINE: War das immer so? Dann blieb Ihnen ja gar nichts anderes übrig, als Musiker zu werden.
Volodos: Überhaupt nicht. Wissen Sie, über eins in meinem Leben bin ich wirklich froh: dass ich eine echte Kindheit hatte. Oft werden Kinder zu Musik gezwungen. Ich hatte eine richtige Kindheit, mit vielen Freunden. Ich war nie ein Wunderkind, ich habe auch nie darüber nachgedacht, was ich mal werden soll. Mit 15, 16 Jahren kam das ganz natürlich. Da habe ich mir gesagt, vielleicht sollte ich mit dem Klavierspielen Ernst machen. Bis dahin ging ich auf eine Musikschule, die Chorleiter aufs höhere Konservatorium vorbereitet.
WELT ONLINE: Sie nehmen nur ganz selten CDs auf und beurteilen Ihre früheren Aufnahmen sehr harsch.
Volodos: Ja. Ich finde meine Aufnahmen nie gut. Vor allem verliert man das Interesse daran, wenn man sie gemacht hat. Im Konzert muss man alles geben und sich ganz auf den Augenblick konzentrieren, im Studio spielt man alles mehrfach und muss hinterher eine Version auswählen. Und das fällt mir am schwersten.
WELT ONLINE: Sie nehmen ja auch gerne mal 20 Versionen desselben Stücks auf...
Volodos: Ja, ich spiele viele Takes ein, und Schnitte möchte ich so wenig wie möglich. Sonst kommt man sich wie ein Roboter vor. Völlig unnatürlich. Bei der letzten Platte habe ich mir ausbedungen, nur nachts aufnehmen. Das ist besser für mich.
WELT ONLINE: Der Toningenieur zeigte sich von Ihrer Arbeitsweise und dem künstlerischen Ergebnis enorm beeindruckt.
Arcadi Volodos Vladimir Horowitz Klavier Brahms Schumann Liszt Clementi
Volodos: Ich möchte lieber drei bis fünf wirklich gute CDs aufnehmen, als 25 aus dem Handgelenk zu schütteln. Das hat auch etwas mit Verantwortungsgefühl zu tun. Es gibt viel zu viele CDs.
WELT ONLINE: Mit wem kommunizieren Sie, wenn Sie Klavier spielen?
Volodos: Mit dem Publikum, mit dem Komponisten, mit mir. Es ist ein schwieriger Prozess; jedes Konzert ist für mich einmalig und unwiederholbar.
WELT ONLINE: Gibt es in Ihrer Arbeit eine religiöse Komponente?
Volodos: Musik ist für mich Religion. Bis zum Tod kann man in der Musik leben, selbst wenn man sie nicht spielt. Sie wohnt in der Seele. Darauf kommt es an.
Holger N. Koch - 12. Okt, 18:42
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